Hilfe für deine ElternWer hilft deinem Vater? Was ist ein Anti-Gewalt-Training?

Christian Gerkuhn

Wir sprechen mit Christian Gerkuhn, er ist Antigewalt-Trainer und Sozialarbeiter. Ein Anti-Gewalt-Training bietet Männern, die Gewalt ausüben, die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Gewaltverhalten auseinanderzusetzen.

Hallo Christian, kannst Du Deine Arbeit kurz beschreiben?

In einem Satz würde ich sagen, ich helfe Männern dabei zu lernen, wie sie sich streiten können, ohne ihre Frau oder ihre Kinder zu schlagen.

Was sind das für Männer, die ihre Partnerinnen schlagen?

Das sind sehr unterschiedliche Männer. Gewalt in der Familie kann überall vorkommen, egalwieviel  Geld die Familie hat oder welchen Beruf oder Herkunft die Eltern haben.

Ganz wichtig ist aber: Niemand darf einen anderen Menschen schlagen, außer um sein Leben zu verteidigen. Und es ist verboten seine Kinder oder seine Partnerin zu schlagen oder anders fertig zu machen. Wenn so etwas in der Familie passiert, dann braucht es Hilfe. 

Warum wenden die Männer Gewalt an?

Auch das ist ganz unterschiedlich. Überforderung, Stress auf der Arbeit, Frust, manchmal auch Hass auf sich selbst, ihre Partnerin oder Frauen ganz allgemein.

Manche Männer haben nie gelernt, wie sie sich streiten können, ohne sich zu hauen. Sie wollen ihren Willen durchsetzen, wollen oder können nicht diskutieren. Gewalt ist für sie dann die schnelle Möglichkeit, sich mächtig zu fühlen und die Kontrolle zu haben.

Unsere Körper und auch unsere Herzen sind verletzlich. Darum führt ein Angriff oder das Drohen mit Gewalt bei den Betroffenen zu großem Stress und Angst. Vor allem, wenn man schwächer oder abhängig vom Partner ist, man nicht die Mittel hat sich zu wehren und einem keiner hilft.

Anti-Gewalt-Training

Das ist besonders schlimm, wenn es zu Hause passiert, also da, wo man sich eigentlich sicher fühlen sollte. Manche Männer verwechseln Respekt mit Angst, sie wollen, dass man sie respektiert und merken gar nicht, dass das, was sie bekommen kein Respekt ist, sondern einfach nur Angst.

Kann man lernen, Konflikte und Streit auch ohne Gewalt zu lösen? 

Ja, das kann man. Kein Mensch kommt als Gewalttäter auf die Welt. Gewalt ist ein erlerntes Verhalten. Also kann es auch wieder verlernt werden. Jeder kann lernen, ohne Gewalt klarzukommen. Wenn er es will. Das ist der entscheidende Punkt: Ich muss es wollen.

Es ist völlig okay nicht zu wissen wie das gehen soll, dafür gibt’s ja so ein Antigewalt-Training. Wichtig ist nur, dass man diese Entscheidung trifft, nicht wieder zuzuschlagen. Man muss einsehen, dass es falsch ist, Mama oder Kinder oder andere zu schlagen. Und man muss lernen wollen, seine Konflikte ab jetzt anders zu regeln.

Oft schaffen die Leute das nicht einfach so von ganz alleine und sofort.

Dann braucht man Unterstützung, jemanden, mit dem zusammen man über die Taten sprechen kann, der einem hilft zu verstehen, was da los ist, dass man in bestimmten Momenten losbrüllt oder zuschlägt. Zusammen kann man Schritt für Schritt durch Gespräche und Übungen lernen, das es anders wird. Es gibt immer Hoffnung, Veränderung ist immer möglich.

Was ist ein Anti-Gewalttraining? Was passiert da?

In einem Antigewalt-Training lernt man ohne Gewalt klar zu kommen. Es ist wie ein Sport-Training, man übt und trainiert wie es anders gehen kann, ganz so wie man einen Muskel trainiert, wenn der stärker werden soll. Die Männer lernen mit Gefühlen wie Enttäuschung, Trauer oder Wut umzugehen.

Diese Gefühle gehören für uns alle zum Leben, wir alle haben Aggressionen. Das ist normal. Sie sind ein Teil von uns. Und die Aggressionen müssen auch raus. Sie sollten nicht heruntergeschluckt werden.  Aber wir müssen lernen, unsere Aggressionen rauszulassen ohne jemand Anderen zu verletzen.

Im Training geht es auch darum, dass die Teilnehmer Verantwortung für ihre Taten und Ihr Verhalten übernehmen. Das heißt, sie müssen sich mit ihren Taten auseinandersetzen. Sie sollen verstehen, wann und wo, durch wen und weshalb sie gelernt haben, ihre Probleme mit Gewalt zu klären. Es geht darum zu erkennen, dass „Es“ nicht einfach passiert ist, sondern dass sie sich entschieden haben zuzuschlagen.

Und dann lernen sie Strategien und Techniken kennen und werden dabei bestärkt, ihre eigenen gewaltfreien Lösungen zu finden. Wir gucken nach Ausnahmen, also in welchen Momenten sie es schon mal geschafft haben, nicht auszurasten. Das ist eine Schatztruhe und jeder hat solche Schätze, die es zu bergen gilt und zu putzen und dann einzupacken in den eigenen Antigewalt-Notfallkoffer.

Manchmal ist aber auch schon so viel Vertrauen kaputtgegangen, dass sich die Beziehung zur Partnerin nicht mehr retten lässt oder die Kinder Angst vor noch mehr Gewalt haben. Ein Anti-Gewalt-Training kann dann die Grundlage sein, um später irgendwann die eigenen Kinder wieder zu sehen und möglicherweise einen Neuanfang als Vater zu machen.

Wer kann deinen Eltern helfen?